Kivelinge
Der Ursprung der Kivelinge gründet sich auf einer Begebenheit aus dem 14. Jahrhundert. Bei Kämpfen zwischen dem Grafen von Tecklenburg und dem Bischof von Münster wurde die männliche Bevölkerung Lingens so stark dezimiert, dass zur Verteidigung als letztes Aufgebot die jungen, unverheirateten Jugendlichen der Stadt auf die Wälle gerufen wurden. Durch die Unterstützung der jungen Krieger gelang es, die Eroberung der Festung Lingen zu verhindern und die Angreifer in die Flucht zu schlagen. Es wird vermutet, dass durch diese Begebenheit auch der Name „Kiveling“ seinen Ursprung fand. Es handelt sich hierbei um die Verkleinerungsform des mittelhochdeutschen Wortes „kiven“, was soviel wie kämpfen oder streiten bedeutet (also: Kleiner Streiter, kleiner Kämpfer). Leider ist es heute nicht mehr möglich, diese Vorgänge aus grauer Vergangenheit durch Dokumente zu belegen, da bei einem Stadtbrand im Jahre 1548 fast alle schriftlichen Urkunden verloren gingen und so vieles nur aus mündlichen Überlieferungen bekannt ist. Ein erster schriftlicher Beweis für die Existenz von „Borgerkynder“, „junge Schutthen“ oder „Vrygesellen“, wie die Kivelinge auch genannt wurden, finden sich in den Stadtrechnungen der Jahre 1557 / 1558. Ein Posten gibt hier eine Zuwendung der Stadt an die Kivelinge an:
„Die jungen Schützen oder Bürgerkinder beehrt mit 1/2 Tonne Bier, facit 1 Mark“.
Dass die Kivelinge bereits im Jahre 1565/1566 auf eine lange Tradition zurückblicken konnten, geht aus weiteren Eintragungen der Stadtrechnungen hervor:
„Den jungen Schützen, als sie den Vogel abschossen, zum Vertrinken gegeben nach altem Gebrauch eine halbe Tonne Bier; dafür bezahlt 1 Mark und 1 Sch. 10 1/2 Pf.“.
Einen weiteren Beweis für eine lange Tradition liefert ein Briefwechsel des Magistrats der Stadt Lingen mit den Kivelingen. Hierin heißt es, dass die Obrigkeit den Bürgersöhnen ihr Fest untersagt, da in den Nachbarländern Krieg und Pest herrsche. In einer Urkunde vom 11. Mai 1636 erklären sich die Kivelinge bereit, auf ihr altverbrieftes Recht zu verzichten, wenn der Magistrat die zustehenden 2 Tonnen Bier liefert. Neben Eintragungen in Stadtrechnungen und Briefwechseln bezeugt auch ein kleiner, silberner Vogel die Existenz einer Bürgersöhne Compagnie. Dieser wird aufgrund seiner Legierung und Stilart von Sachverständigen einer Zeit nach 1450 zugeordnet. Summiert man die genannten Belege auf, so kann man der Angabe in einer Sekundärquelle, die das Jahr 1372 als Gründungsjahr der Burgerzoons Schüttery angibt, Glauben schenken.
Compagniebuch
Das Compagniebuch der Kivelinge aus dem Jahr 1786 enthielt ebenfalls auf den ersten Seiten Hinweise auf ein Gründungsjahr 1372. Dieses Buch wurde jedoch bei der Hochwasserkatastrophe im Februar des Jahres 1946 so stark beschädigt, dass die ersten Seiten bei der Restaurierung des Buches im Jahre 1995 nicht wieder hergestellt werden konnten. Ebenfalls nicht erhalten werden konnten die in altniederländischer Sprache verfassten „Wetten“, die die Gesetze und Strafbestimmungen der Bürgersöhne beinhalteten. Von diesen Wetten gibt es glücklicherweise eine Abschrift und Übertragung ins Hochdeutsche aus dem Jahr 1922. Hieraus entwickelten sich im Laufe der Jahre Statuten und dann die Vereinssatzung, die auch für den heutigen Verein Gültigkeit hat. Der Unterschied der Kivelinge zu anderen Schützengesellschaften liegt darin, dass der Bürgersöhne Aufzug in früherer Zeit eine Zwangseinrichtung der Stadt Lingen war, was im Punkt 14 der Wetten von 1786 beurkundet ist. So hatten die ledigen Bürger der Stadt unter hohen Strafen an diesem Aufmarsch mit der Waffe teilzunehmen und nach einem strengen Reglement zu exerzieren. Der heutige Bürgersöhne-Aufzug ging aus dieser damaligen zwangsweisen Wehrmannschaft hervor und übernahm die Tradition und das Eigentum. Von der Stadt Lingen bekam der Verein einige alte Privilegien übertragen.
Die Kivelinge in der Gegenwart
Seit 1927 sind die Kivelinge als Bürgersöhne-Aufzug in das Vereinsregister eintragen. In der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg begannen die Kivelinge, sich als Heimatverein mehr und mehr in soziale und kulturelle Bereiche der Stadt einzubringen. Dazu gehörten unter anderem Hilfsleistungen nach der Wirbelsturmkatastrophe im Jahre 1927, Heimatschauen (1928 und 1935), sowie plattdeutsche Abende und Theateraufführungen. Bereits vor und auch nach dem Ersten Weltkrieg fanden die Feste der Kivelinge im dreijährigen Turnus statt. Während des Zweiten Weltkrieges ruhte jede Vereinstätigkeit. Doch bereits 1945 richtete der Vorstand der Kivelinge ein Schreiben an den englischen Militärkommandanten in Lingen mit der Bitte um Wiederaufnahme der Vereinsaktivitäten. Dieser Bitte wurde durch die englische Militärregierung entsprochen. Neue Zielsetzung des Vereins war die Pflege vorhandener geschichtlicher Denkmäler, sowie der heimatlichen Kultur. Dies spiegelte sich wieder durch:
- Erwerb und der Restaurierung des Hauses „Am Markt 8“
- der Errichtung des Machuriusbogens
- die Stiftung der Bürgermeisteramtskette
- Schenkungen für das Alte und Neue Rathaus sowie in der Lingener Innenstadt
- Errichtung eines Spielplatzes in der Straße „Am Pulverturm“
- Erwerb des Hauses „Schlachterstraße 5“
Heutzutage lässt nur noch die Struktur des Kivelingsvereins auf die militärische Vergangen schließen. Aktuell sind ca 300 Kivelinge im Verein sie unterteilen sich auf 11 Sektionen, welche sich wiederum auf drei Züge aufteilen. Jeder Sektion steht ein Offizier vor und jedem Zug ein Kapitän. Der gesamte Verein wird vom Kommandeur der Kivelinge geleitet. Im Laufe der mittlerweile über 625-jährigen Vereinsgeschichte hat sich vieles geändert, sehr vieles ist aber seit alt her beibehalten worden. Dazu gehört auch, dass die Kivelinge die unverheirateten Bürgersöhne der Stadt Lingen sind. Das heißt auch heute noch: